Freitag, 16. Oktober 2009

Leseempfehlung Jean-Louis Fournier, Wo fahren wir hin, Papa?






Wir fahren bergab. Gerade gegen die Wand.
Erst ein behindertes Kind, dann zwei. 

Warum nicht drei …

Damit hatte ich nicht gerechnet.


»Wo fahren wir hin, Papa?«
Wir fahren auf die Autobahn, wir spielen Geisterfahrer.
Wir fahren nach Alaska. Wir streicheln die Bären.
Und lassen uns fressen.


Wir fahren Pilze suchen. Wir sammeln Schleierlinge
und machen daraus ein leckeres Omelett.
Wir fahren ins Schwimmbad, wir springen vom
höchsten
Turm in ein Becken ohne Wasser.


Wir fahren ans Meer. Zum Mont-Saint-Michel. Wir
gehen im Treibsand spazieren. Und versinken. Wir
fahren in die Hölle.


Unbeirrt fragt Thomas weiter: »Wo fahren wir hin,
Papa?« Vielleicht bricht er heute seinen Rekord. Nach
dem hundertsten Mal bleibt kein Auge mehr trocken.
Mit Thomas kommt nie Langeweile auf, er ist der King
des Running Gag.



Mit fast brutal anmutender Ehrlichkeit beschreibt Fournier das Leben mit seinen beiden behinderten Söhnen. Das Buch erzählt von Verwundungen, die niemals geheilt werden können und einer Aufopferung, die nie genug sein wird.

Fournier wäre ein guter Kabarettist, einer, der einem mit Sarkasmus zum Lachen bringt, während man schon einen Kloß im Hals hat. Das Buch zu lesen ist manchesmal nicht leicht. Zwischen einem geglückten Leben und einem, das bestenfalls bewältigbar ist, liegt nur ein schmaler Grat.

Das wird einem hier bewusst. Genau deshalb musste ich es wohl immer wieder einmal zur Seite legen. Um Frohsinn zu schöpfen, aber auch um innezuhalten, und dankbar dafür zu sein, was ich im eigenen Leben schätzen darf.

In Frankfreich, der Heimat des Autors, wurde das Buch 2008 zum Nr. 1-Bestseller, mit dem renommierten Prix Femina ausgezeichnet und für den Prix Goncourt nominiert. Bei uns wird es am 1. November erscheinen, bestellen kann man es hier: Vorbestellung Amazon

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Related Posts with Thumbnails